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Verehrte Damen und Herren,
Ausstellung 2025
Gesichter im Strom der Jahrtausende

2025
Auf dem Monitor häufen sich dicht verschlungene Netzgewebe, die Blender in Sekundenschnelle glättet. Kurz darauf hebt der Drucker Schicht um Schicht ein Harz-Relief aus dem Nichts; erst unter dem feinen Nebel eines Autolacks erwacht es vollends zum Leben. So entstehen Büsten, die zwischen digitaler Präzision und lackierter Noblesse oszillieren – Zeugnisse eines Zeitalters, in dem Identität buchstäblich additiv gebaut wird.

1970 – 2000
Die irdische Schwerkraft scheint im Wachskörper eines Duane Hanson oder einer Carole Feuerman aufgehoben: jedes Sommersprosschen, jede Schweißperle ist da, als hätte die Zeit für einen Augenblick pausiert. Gleichzeitig genügte es Konzeptkünstlern, ein leeres Podest mit einer gravierten Namensplakette zu versehen, um die geistige Präsenz eines Porträts heraufzubeschwören. Realität wurde verdoppelt, Idee wurde Skulptur.

1900 – 1970
Mit Rodins „Balzac“ beginnt der Mantel zu brodeln, als lausche er innerem Sturm; später ziehen Giacomettis drahtige Köpfe ihre Zweifel wie rauchige Wölkchen in die Höhe. Das Porträt befreit sich von höfischer Glätte und tastet nach dem Unausgesprochenen hinter der Stirn.

1800 – 1900
Bronzene Büsten vonJean-Baptiste Carpeauxerzählen mit unbarmherzig scharfen Pupillen von Ehrgeiz und Industriefortschritt, während das neue Medium Foto bereits um die Ecke blitzt. Doch die Bildhauer halten dagegen: Sie formen den „Atem zwischen zwei Herzschlägen“, den keine Belichtungszeit einfangen kann.

1600 – 1800
Berninilässt KardinalScipione Borgheseim Marmor fast den nächsten Atemzug nehmen; Augen spiegeln Lichtpunkte, als glitzere dahinter eine unausgesprochene Intrige. Ein Jahrhundert später kräuseln Rokoko-Lippen ihr Lächeln wie Zuckerguss – doch auch sie bewahren Charakterstudien von beinahe unerhörter Frische.

1400 – 1600
Mit der Terracotta-Büste des Niccolò da Uzzano bricht Donatello die mittelalterliche Starre: Runzeln zeichnen gelebte Erfahrung, der Blick wagt sich prüfend in die Ferne. Das Porträt tritt aus dem Dienste der Dynastie heraus und erklärt sich zum Spiegel des Einzelnen.

1000 – 1400
Zwischen den Pfeilern des Naumburger Doms stehen Ekkehard und Uta: kantige Wangenknochen, verschattete Augen, als hörten sie den Choral, der im Gewölbe widerhallt. Hier reicht ein angedeutetes Lippenpressen, um Sorge, Pflicht und stille Hoffnung in ewigen Sandstein einzubrennen.

500 v. Chr. – 500 n. Chr.
Die Griechen suchten göttliche Proportion, die Römer wagten schonungslose Faktur. In den Marmorporträts römischer Senatoren zeichnen sich Krähenfüße und Stirnfurchen ab – Würdemale statt Makel. So verbindet sich heroisches Ideal mit dokumentarischer Einsicht.

3000 – 500 v. Chr.
Der thronende Pharao Chephren blickt noch immer unbewegt über die Jahrtausende; strenge Symmetrie und falkenbewährte Rücklehne sichern ihm gottgleichen Bestand. Im Zweistromland wachen gewaltige Lamassu– Mischwesen von König und Stier – über Paläste und Rituale.

Vor 30 000 Jahren
Winzige Kieselwerkzeuge kerben Rundungen in oolithischen Kalk: die Venus von Willendorf trägt kein Gesicht, doch Birnenhüften und geflochtenes Haar erzählen von Fruchtbarkeit und Wunsch nach Fortbestand. In diesem Ur-Porträt zirkuliert bereits der Gedanke, dass der Mensch sich als Abbild vor dem Vergessen rettet.